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VIII.5. Der Gerechtigkeit zum Recht verhelfen

Die Länder haben den Bund in der Vergangenheit dazu gedrängt, Beratungs- und Prozesskostenhilfe einzuschränken, um Kosten zu sparen. DIE LINKE wird darauf hinwirken, dass diese Verschlechterungen zurückgenommen werden. Alle Menschen sollen ihre juristischen Rechte gleichermaßen wahrnehmen können, unabhängig von ihrem Einkommen. Eine Zweiklassenjustiz, die vom Geldbeutel abhängig ist, lehnen wir ab.

Notwendig ist eine gute personelle und materielle Ausstattung der Justiz, insbesondere der besonders belasteten Arbeits-, Sozial- und Verwaltungsgerichte. Sie müssen Verfahren effektiv und zügig bearbeiten können. Unter Ausnutzung der Digitalisierung wollen wir dafür sorgen, dass weniger Zeit für reine Verwaltungsaufgaben aufgewendet werden muss, damit Fälle schneller bearbeitet werden können. Erst kürzlich hat der Landesrechnungshof bemängelt, dass noch rund 20 Jahre nach Beginn des Projektes E-Akte erst knapp 1.400 Beschäftigte der gesamten Landesverwaltungen mit E-Akte und E-Laufmappe arbeiten. Das geht schneller und besser. Eine Stärkung außergerichtlicher Verfahren soll die Gerichte von Bagatellfällen entlasten.

Eine Grundlage für eine auskömmliche Personalausstattung ist ein qualitativ hochwertiges Jurastudium mit einer ausreichenden Zahl von Studienplätzen. Auch die Zahl der öffentlich angebotenen Rechtsreferendariate muss an die Nachfrage angepasst werden – Wartezeiten von 10 Monaten für ein Rechtsreferendariat, wie im OLG-Bezirk Köln üblich, sind nicht hinnehmbar.

Noch immer sind zahlreiche Bescheide der Jobcenter rechtswidrig, viele Klagen vor den Sozialgerichten sind erfolgreich. Das Land ist in der Pflicht, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Rechte von Beziehenden von Sozialleistungen zu wahren. Dazu gehört auch, die Verfahrensdauer von Gerichtsverfahren deutlich zu reduzieren.

Das weitgehend abgeschaffte Widerspruchsverfahren bot eine günstige und einfache Möglichkeit, Behörden zu einer Überprüfung ihrer Entscheidungen zu veranlassen. Heute muss direkt gegen Bescheide geklagt werden. Wir wollen den Betroffenen eine Wahlmöglichkeit geben, zunächst Widerspruch einzulegen oder vor dem zuständigen Gericht zu klagen.

Was tun?

  • Eine bessere Personalpolitik für Sozial-, Arbeits- und Verwaltungsgerichte

 

  • Mehr Personal zur Verfolgung von Wirtschaftskriminalität und Steuerhinterziehung

 

  • Widerspruchsverfahren wieder einführen, gekoppelt an eine Wahlmöglichkeit, unmittelbar Klage erheben zu können

 

  • Entlastung der Justiz durch außergerichtliche Schlichtung und Verfahren in Bagatellfällen

 

  • Selbstverwaltung und Unabhängigkeit der Justiz stärken

 

  • Mehr Beratungs- und Prozesskostenhilfe ohne Rückzahlungspflicht

 

  • Verbesserung von Jurastudium und Rechtsreferendariat

VIII.5.1. Prävention und Resozialisierung haben Vorrang vor Bestrafung

Noch immer kommen Menschen ins Gefängnis, weil sie Geldstrafen nicht bezahlen können oder wegen Bagatelldelikten wie Fahren ohne Ticket im ÖPNV oder Diebstahls geringwertiger Sachen. Diese Strafen sind nicht nur ohne Maß, sie schaden erwiesenermaßen. DIE LINKE will Ersatzfreiheitsstrafen sowie Freiheitsstrafen bei Bagatelldelikten daher zugunsten von Auflagen und Weisungen abschaffen. Außerdem wollen wir Änderungen des Strafrechts auf Bundesebene vorantreiben: Vom Unrechtsgehalt her ist etwa das Fahren ohne Fahrschein in Bus und Bahn vergleichbar mit dem Parken ohne Parkschein, und sollte genauso behandelt werden – als Ordnungswidrigkeit, nicht als Straftat.

Härtere Strafen oder neue Gefängnisse werden nicht dazu führen, dass weniger Straftaten – insbesondere von Jugendlichen – begangen werden. Wer aus Perspektivlosigkeit, wegen einer Krankheit oder Drogensucht straffällig wird, wird sich von einer hohen Strafdrohung nicht abschrecken lassen. Die Gesellschaft ist in der Verantwortung, Menschen zu unterstützen, statt sie wegzusperren. Wir sagen deshalb: mehr Prävention, statt härtere Strafen.

Jugendgefängnisse sind der ideale Einstieg in eine kriminelle Laufbahn auch im Erwachsenenalter – die Rückfallquote beträgt 80 Prozent. Jugendliche brauchen Perspektiven, also in erster Linie eine gute Ausbildung und im Anschluss einen sicheren Job. Daneben braucht es Jugendsozialarbeit in den Stadtteilen sowie Maßnahmen gegen Jugendgewalt und Konflikttrainings. Die finanziellen Mittel, die derzeit für Jugendstrafverfahren aufgewendet werden, wären hier besser eingesetzt.

Was tun?

  • Weniger Freiheitsstrafen: Ausbau von Haftvermeidungs- und Haftverkürzungsprojekten sowie stärkere Nutzung von Aufschub- und Bewährungsstrafen

 

  • Verbesserung der Haftbedingungen, durch Verhaltenstherapie Straftaten nach der Entlassung vermeiden

 

  • Keine Privatisierung im Bereich des Strafvollzugs

 

  • Keine Gefängnisstrafe für Bagatellkriminalität wie Fahren ohne Fahrschein und Diebstahl geringwertiger Sachen

 

  • Bundesratsinitiative zur Herabstufung des Fahrens ohne Ticket von einer Straftat zur Ordnungswidrigkeit

 

  • Statt Jugendgefängnissen mehr finanzielle Mittel für Prävention und Jugendarbeit

 

  • Einen besseren Personalschlüssel in den Haftanstalten und mehr Sozialarbeit

 

  • Abschaffung der Einzelhaft im normalen Strafvollzug

 

  • Ausbau der Drogenberatungs- und Therapieangebote

 

  • Qualifizierte Bildungs- und Arbeitsangebote in Haftanstalten, um auf das Leben in Freiheit vorzubereiten

 

  • Arbeitsschutz und angemessene Löhne für Inhaftierte

 

  • Keine Menschen aufgrund von Straftaten ins Ausland abschieben

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