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VI.4 Hochschule: Mehr Studienplätze und sichere Arbeitsplätze schaffen

Nordrhein-Westfalen hat die höchste Hochschuldichte und damit bundesweit die höchsten Studieren-denzahlen und mehr als 100.000 Beschäftigte an Hochschulen. Deshalb muss NRW auch eine Vorreiter-rolle als studierenden- und beschäftigtenfreundliches Hochschulland einnehmen. Wir setzen uns für demokratisch kontrollierte Hochschulen mit hochwertiger Lehre und Forschung, für eine ausreichende Anzahl an Studienplätzen, für einen Hochschulzugang ohne Selektion, für gute Betreuungsrelationen und für Dauerstellen insbesondere für das promovierte wissenschaftliche Personal ein.

Wir stehen an der Seite von Gewerkschaften und Bewegungen, die für bessere Bedingungen kämpfen: Für Entfristung und faire Bezahlung von wissenschaftlichem Personal, für gute Studien- und Lebensbedingungen und dafür, dass die Coronakrise an den Hochschulen solidarisch bewältigt wird. Seit Jahren werden die Hochschulen unter dem Druck der öffentlichen Finanzierungssysteme zur unternehmerischen Hochschule mit dem Ziel ausgebaut, Wissen, Bildung und Forschung wirtschaftlich verwertbar zu machen. Durch die chronische Unterfinanzierung bleibt der Raum für unabhängige und gesellschaftskritische Forschung und Lehre und damit eine wesentliche Funktion von Wissenschaft auf der Strecke. Forschung ohne Drittmittel ist kaum noch möglich. DIE LINKE fordert eine ausreichende Grundfinanzierung der Hochschulen und Forschungseinrichtungen durch den Staat.

Falsch verstandene Hochschulfreiheit und die Drittmittelfinanzierung sowie der Kostendruck haben nicht nur zu einer Ökonomisierung des Hochschulwesens geführt, sondern auch dazu, dass politische Rahmenvorgaben vom Landesgesetzgeber kaum noch durchgesetzt werden können. DIE LINKE will hier verbindliche Rahmenvorgaben für die Hochschulen auf den Weg bringen, welche die Verwendung der öffentlichen Gelder verbindlich steuern können, etwa bezüglich der Studienkapazitäten für (z. B. pädagogische) Mangelberufe, der Forschung und Lehre zu gesellschaftlich relevanten Feldern oder der guten Arbeit an Hochschulen.

Forschung und Wissenschaft müssen zur Lösung von sozialer Spaltung, Klimawandel und Umweltproblemen beitragen. In diesem Sinne wollen wir die milliardenschwere Innovations- und Technologieförderung des Bundes, auch die gemeinsam von Bund und Ländern finanzierte außeruniversitäre Forschung, strategisch ausrichten. Neben technischen sind dabei besonders soziale Innovationen wichtig. Wir wollen diese Forschungslandschaft stärker mit der Arbeit der Hochschulen verknüpfen.

Das Fach Sozialwissenschaften und insbesondere die politische Bildung sind ein elementarer Bestandteil der schulischen Ausbildung, müssen sich daher auch in der Lehrer:innenausbildung widerspiegeln und dürfen nicht durch fachfremde, hauptsächlich in Wirtschaft ausgebildete Lehrkräfte unterrichtet werden. Die Änderung der Lehramtszugangsverordnung bezüglich des Studienfachs Sozialwissenschaften durch die schwarz-gelbe Landesregierung will DIE LINKE zurücknehmen.

VI.4.1. Studium

Das Studium ist von Leistungsdruck und Zeitdruck geprägt. Viele Studierende haben in der Coronakrise ihre Jobs verloren und wissen nicht, wie sie die Miete aufbringen sollen. Weiter hat die pandemiebedingte Schließung der Hochschulen die seit Jahren andauernde Konkurrenz und Vereinzelung im Studium befördert.

Wir wollen die Hochschulen öffnen. Ein Studium soll mit einem bestandenen Fachabitur, der allgemeinen Hochschulreife, einer abgeschlossenen beruflichen Ausbildung oder einem vergleichbaren Abschluss möglich sein.

Das BAföG muss an die Lebenswirklichkeit angepasst werden und die Ausbildung umfassend finanzieren. Nur noch 11 Prozent der Studierenden erhalten überhaupt BAföG, nur 8 Prozent den Höchstsatz. Wir setzen uns für ein rückzahlungsfreies, elternunabhängiges und bedarfsgerechtes BAföG ein. Der BAföG-Fördersatz muss regelmäßig und automatisch an die tatsächlichen und steigenden Lebenshaltungs- und Wohnkosten angepasst werden. Wir wollen die Altersgrenzen beim BAföG abschaffen und die Bezugsdauer an die reale Studiendauer anpassen. Menschen mit Duldung, Aufenthaltsgestattung und mit humanitären Aufenthaltstiteln müssen mit Aufnahme des Studiums oder der Ausbildung Zugang zur Ausbildungsförderung haben. Nach Reformierung des BAföGs können die Gelder der sogenannten Begabtenförderungswerke in den BAföG-Topf einfließen. Bis dahin sind ab sofort soziale Kriterien bei der Vergabe der Stipendien verpflichtend einzubeziehen.

Hochschulgremien sollten paritätisch besetzt werden, sodass alle Statusgruppen gleichermaßen vertreten sind. Statt einseitiger Stärkung der Hochschulleitung brauchen wir eine Stärkung der demokratisch gewählten Hochschulgremien. Wir wollen ausfinanzierte und starke Fachschaften und ASten. Den demokratischen Austausch der Hochschule mit zivilgesellschaftlichen Akteuren, Gewerkschaften, Bürgerinitiativen und Sozialverbänden wollen wir fördern. Hochschulen sollen Orte der gesellschaftlichen Debatte sein. Dazu gehört auch ein allgemeinpolitisches Mandat für gewählte Studierendenvertretungen.

Was tun?

  • Wir wollen die Regelstudienzeit als Kennzahl für eine normale Studienzeit abschaffen. Sie spiegelt in keiner Weise eine Regel oder einen Durchschnitt wider und sorgt für eine zusätzliche psychische Belastung bei den Studierenden.

 

  • Jegliche Form von Studiengebühren für Menschen mit und ohne deutschen Pass schaffen wir ab.

 

  • Das Land macht sich auf Bundesebene dafür stark, dass das BAföG reformiert wird.

 

  • DIE LINKE fordert einen Hochschulsozialpakt: Geld für mehr bezahlbare Plätze in Wohnheimen. Wir wollen ein Unterstützungsprogramm für kostengünstige Semestertickets. Perspektivisch fordern wir aus sozialen und ökologischen Gründen einen ticketfreien Öffentlichen Nahverkehr für alle.

 

  • Ergänzend zu unseren wohnungspolitischen Forderungen wollen wir die Studierenden beim Ausbau und der Instandhaltung ihrer Wohnraumangebote nachhaltig fördern.

 

  • Statt Zugangs- und Zulassungsbeschränkungen wie Numerus clausus, Auswahlgespräche, IQ-Tests oder Bewerbungsgespräche schlagen wir ein Hochschulzulassungsgesetz vor.

 

  • Das duale Studium muss öffentlich-rechtlich akkreditiert werden und zu gleichwertigen Abschlüssen führen. Dual Studierende müssen einen Ausbildungsvertrag mit einer Vergütung bekommen.

 

  • Der kostenlose Zugang zu Prüfungen und Verbesserungsversuchen muss gewährleistet werden, mindestens aber eine Härtefallregelung für Studierende mit geringem Einkommen.

 

  • Integrierte Bachelor für Studiengänge mit Staatsexamina einführen

 

  • Der Zugang zum Master-Studiengang muss für Personen mit Bachelor-Abschluss überall zulassungsfrei sein.

 

  • Eine Höchstzahl an Versuchen für Prüfungen im Studium soll abgeschafft werden. Wer eine Prüfung besteht, hat gezeigt, dass sie*er das Geprüfte kann – unabhängig davon, wie viele Versuche gebraucht wurden.

 

  • Für Geflüchtete soll die Aufnahme des Studiums vereinfacht werden. Im Ausland erworbene Bildungsabschlüsse müssen schnell und unbürokratisch anerkannt werden. Die Aufnahme eines Studiums muss ein Bleiberecht sicherstellen und vor Abschiebung schützen.

 

  • Den Zugang für ausländische Studierende wollen wir vereinfachen.

 

  • Wir setzen uns für ein Mentoring-Programm für First-Generation-Studierende ein.

 

  • Die Hochschulen müssen barrierefrei werden. Dafür braucht es einen besseren Betreuungsschlüssel insbesondere für Studierende mit Behinderungen und Studierende mit psychischen Erkrankungen. Außerdem muss in den baulichen Barriereabbau investiert werden wie z. B. in Blindenleitsysteme.

 

  • Wer sich beruflich umorientieren möchte, soll an einer Hochschule ein Studium oder Zusatzqualifizierung absolvieren können. So könnten beispielsweise Menschen, die vom sozialökologischen Umbau betroffen sind, gefördert werden.

 

  • Wir fordern eine strenge Begrenzung von Anwesenheitspflichten.

 

  • Demokratisierung der Hochschulgremien und Einführung verbindlicher Rahmenvorgaben für die Mittelverwendung durch den Gesetzgeber

 

  • Studiengänge in Mangelberufen wollen wir deutlich ausbauen, etwa bei der Sonderpädagogik, Lehrämtern, Kindheitspädagogik und Sozialpädagogik

 

  • Rückabwicklung der Änderung der Lehramtszugangsverordnung, das Fach Sozialwissenschaft wird als Studienfach erhalten.

 

  • Digitale Medien dürfen nicht zum Einfallstor für Privatisierung der Bildung durch private kommerzielle Anbieter, Unternehmen oder Verlage werden. In Bildungseinrichtungen eingesetzte Software sollte freie Software sein.

VI.4.2. Gute Wissenschaft braucht gute Arbeit

Das wissenschaftliche, das technische und das Verwaltungspersonal müssen gestärkt werden. Daueraufgaben sollen auf Dauerstellen bearbeitet werden. Prekäre Arbeit, Lehre zu Dumpingpreisen und die Ausbeutung von Lehrbeauftragten und Beschäftigten lehnen wir ab. Honorare für Lehraufträge wollen wir erhöhen, sie müssen die Kranken-, die Rentenversicherung und die Vor- und Nachbereitung abdecken. Rund neunzig Prozent der Beschäftigten des wissenschaftlichen Personals sind befristet beschäftigt. Das Sonderbefristungsrecht für wissenschaftliches Personal wollen wir abschaffen.

Was tun?

  • Statt von einzelnen Professor:innen abhängig zu sein, soll das wissenschaftliche Personal Abteilungen (Departments) angehören. Qualifikationsstellen von Promovierenden müssen zu hundert Prozent vergütet werden. Promotionen sollen in der Regel auf Qualifikationsstellen durchgeführt und nicht mit Hilfe von Stipendien finanziert werden, da diese nicht sozialversicherungspflichtig sind.

 

  • Wir wollen die Entfristung im akademischen Betrieb. Dabei wollen wir den akademischen Mittelbau stärken. Diese sind im Moment ebenfalls befristet und oft von Drittmitteln abhängig, obwohl es sich um dauerhafte Aufgaben handelt. Gerade der akademische Mittelbau ist aber nötig für eine qualitativ hochwertige Forschung und Lehre.

 

  • Statt konkurrierender Exzellenzoffensiven fordern wir eine breit angelegte Entfristungsoffensive.

 

  • Wir wollen Fachhochschulen bzw. Hochschulen für angewandte Wissenschaften deutlich besser ausstatten und ihnen das volle Promotionsrecht geben.

 

  • Wir brauchen einen flächendeckenden Tarifvertrag für studentische Beschäftigte mit dem Ziel der Eingliederung in den TV-L sowie ihre Vertretung im Personalrat.

 

  • Wir wollen eine 50-prozentige Frauenquote auf jeder Karrierestufe durchsetzen und das Professorinnen-Programm zu einem Programm für die Förderung von Frauen auf allen Karrierestufen weiterentwickeln.

 

  • Auch Forschenden, die politisch verfolgt sind, wollen wir die Fortführung ihrer wissenschaftlichen Arbeit an Hochschulen in Deutschland ermöglichen.

 

  • Steuermittel zur Forschungsförderung dürfen nur an tarifgebundene Einrichtungen gehen. Das schafft auch Anreize, dass die Institute der Max-Planck-Gesellschaft, Fraunhofer Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft und Leibniz-Gemeinschaft Mitglied in einem Arbeitgeberverband werden.

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